Reichsverfassung

Reichsverfassung
Reichsverfassung,
 
1) im Heiligen Römischen Reich bis 1806 die Gesamtheit der das staatliche Zusammenleben regelnden Reichsgrundgesetze.
 
 2) Frankfurter Reichsverfassung, die von der Frankfurter Nationalversammlung ausgearbeitete Verfassung vom 28. 3. 1849, die infolge der Ablehnung durch die größeren deutschen Staaten (deshalb u. a. Maiaufstände 1849) nicht in Kraft trat. Sie sah eine starke Reichsgewalt als ein allen Einzelstaaten übergeordnetes Organ vor. Träger der Exekutive sollte das Reichsoberhaupt mit dem Titel »Kaiser der Deutschen« sein. Der Reichstag sollte aus zwei Häusern bestehen, dem Staatenhaus, das je zur Hälfte von den Regierungen und den Landtagen besetzt werden sollte, und dem Volkshaus, dessen Abgeordnete nach dem allgemeinen, gleichen, öffentlichen und direkten (Männer-)Wahlrecht und nach dem Grundsatz der absoluten Mehrheit zu wählen waren. Diese Reichsverfassung enthielt mehr demokratische Elemente als die Reichsverfassung von 1867/71. Bedeutend für die Verfassungs-Geschichte war die Aufnahme eines Grundrechtskatalogs, der neben den individuellen Freiheiten auch die Grundlage einer bürgerlich-liberalen Sozialordnung enthielt.
 
 3) im Deutschen Reich (Kaiserreich) (1871-1918) die Verfassung vom 16. 4. 1871, die bis auf einige Reservatrechte der süddeutschen Staaten weitgehend mit der Verfassung des Norddeutschen Bundes von 1867 übereinstimmte. Nach ihr war das Deutsche Reich ein Bundesstaat aus 22 monarchisch geleiteten Einzelstaaten, drei freien Städten und dem Reichsland Elsass-Lothringen. Das Präsidium des Reichs hatte der König von Preußen als »Deutscher Kaiser«. Jedoch war er nur im völkerrechtlichen Verkehr Träger der Souveränität; Inhaber der Souveränität im Reich waren die im Bundesrat zusammengeschlossenen Einzelstaaten. Der Kaiser ernannte und entließ den Reichskanzler, war Oberbefehlshaber der bewaffneten Macht und verkündete die Reichsgesetze. Er konnte bei Angriffen auf das Reich (sonst nur mit Zustimmung des Bundesrats) den Krieg erklären. Bei einer Bedrohung der öffentlichen Sicherheit konnte er den Kriegszustand verhängen; die Reichsexekution wurde vom Bundesrat beschlossen und vom Kaiser vollstreckt. Die Vertretung des Volkes war der Reichstag, der gleichberechtigt mit dem Bundesrat über Gesetze und den Haushaltsplan zu beschließen hatte. Der Kanzler war dem Reichstag auskunftspflichtig; jedoch konnte er nicht durch ein Misstrauensvotum des Reichstags gestürzt werden.
 
 4) die Verfassung der Weimarer Republik von 1919, Weimarer Reichsverfassung.

Universal-Lexikon. 2012.

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